Die Piazza ist das Herz eines Ortes. Jeder Besuch einer italienischen Piazza berührt mich und löst in mir positive Empfindungen aus. Ich frage mich, was da so unwiderstehlich auf mein Gemüt wirkt.
Klar ist: Die «Piazza» hat Geschichte und sie ist ein weites Feld. Das trifft beinahe die etymologische Bedeutung, die da besagt, dass sich aus dem griechischen Wortstamm plateia für flach, breit über das lateinische platea für breite Strasse das italienische Piazza entwickelt hat.
Historische Vorgänger der Piazza waren aber nicht eine Plateia, oder Platea sondern die griechische Agora und das römische Forum. Das waren öffentliche Räume, auf denen man sich versammelte um zu handeln, zu kommunizieren, zu politisieren und zu philosophieren. Im Mittelalter war die Piazza häufig identisch mit dem Rathausplatz, wogegen die kirchliche Macht die Piazza di Duomo beherrschte. In der Renaissance und im Barock wurden die bedeutenden Plätze von bekannten Architekten und Künstlern aufwendig neu- und umgestaltet. Diese Prachtsplätze waren sicher mitverantwortlich, dass Italien im 18. und 19. Jahrhundert das beliebteste Reiseziel der bildenden Künstler aus den nördlicheren Gefilden wurde. Um die erhoffte Inspiration in der Anschauung antiker Architektur zu erhalten, hiess es für sie etwas salopp formuliert: auf die Plätze, fertig, los.
Dieses Kommando wurde aber nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Technik gehört. Automobilisierung und neue Möglichkeiten der Kommunikation hatten massiven Einfluss auf die Piazza-Funktionen. Viele Plätze wurden zu Verkehrsknotenpunkten degradiert, bei den meisten wanderten die Kernfunktionen Handel, Kommunikation und Politik in das städtische Umfeld ab. Das dafür geschaffene Schlagwort heisst: Suburbanisierung. Die schönsten Plätze wurden aber verkehrsfrei gehalten und werden heute statt von Automobilen vom Touristenstrom erstickt.
In den kleineren Städten Süditaliens hat die Suburbanisierung erst begonnen. Noch kommen die einheimischen Männer in der «Ora di Piazza» so zwischen 19.00h und 20.00h zusammen um zu diskutieren und zu politisieren, aber es werden immer weniger.
Als aktuelles Beispiel der Suburbanisierung führe ich den in diesen Tagen erfolgte Umzug der Beamten von Manduria aus dem alten Municipio ins neue Municipio an.