Auch ich in Arkadien!
Den 3. September 1786.
Früh drei Uhr stahl ich mich aus Karlsbad.
So beginnt Goethes Schilderung seiner Italienreise. Ich wäre gerne dabei gewesen. Noch besser hätte mir gefallen, wenn er mit uns in den Süden fahren würde, zuständig für die Reisenotizen. Sei’s drum! Schreib ich den Reisebericht halt selber.
Auch wir in Arkadien!
Den 7. Juli 2020.
Früh 3 Uhr schliessen wir behutsam die Autotüren am Feldeggweg in Horgen und starten unsere diesjährige Sommerreise nach Apulien. Der Routenplaner gibt für die 1‘280 km eine Fahrzeit von gut 13 Stunden an. Für alles in einem Schnurz ist das zu viel. Vor allem weil Esther alles alleine fahren muss, da ich ja keinen Führerschein habe.
Wir denken, dass wir 2-mal übernachten werden. Als erstes Ziel schwebt uns Ravenna vor. Jetzt aber weiter Richtung Gotthard. Um diese Uhrzeit kann man diese Route wagen. Man ist 30 Minuten früher in Bellinzona als über den San Bernardino. Einige Minuten nach 4 Uhr fahren wir bei kühlen 11 Grad in den 16 km langen Gotthardtunnel . Im Tunnel steigt die Temperatur in der Spitze auf 32 Grad und fällt nach dem Tunnel wieder auf 12 Grad. Nach 217 km passieren wir die Grenze. Kein Personal ist zu sehen, weder mit noch ohne Maske. Irgendwie gschpässig. Eben waren die Grenzen doch noch gänzlich geschlossen. Um Mailand werden die Autobahnen von verschiedenen Gesellschaften betrieben, die entsprechend Maut verlangen. Also Konzentration beim Beifahrer. 9 km nach der Grenze Euro 2.30 bereithalten und nach weiteren 28 km Euro 3.20. Das Ticket für die A14 gibt es dann nach noch mal 34 km später bei Mailand Süd. Dieses Prozedere dürfte bald vereinfacht werden. In diesen Tagen hat Italien entschieden, die Autobahnen wieder zu verstaatlichen. So, nun haben wir die ersten 300 km hinter uns und gönnen uns bei der Area di Servizio S. Zenone Ovest eine Rast. Alle sind maskiert. Unglaublich, unheimlich und unwirklich. Das Unwirkliche passt zu unserem Vorhaben Ravenna zu besuchen. Dort wollen wir tief in die Vergangenheit eintauchen. Wir sind wieder auf der A14: Der Verkehr läuft flüssig und ich gebe die Adresse des Hotel Ravenna ins Navi ein. Das Hotel haben wir in der Raststätte ausgesucht. Wichtige Kriterien sind: gute Anfahrt nahe ans Centro Storico (das Auto möchten wir bis zum nächsten Morgen nicht mehr bewegen) / gute Parkmöglichkeit.
Nach 556 km checken wir um 10 Uhr 30 im Hotel ein. Es regnet leicht bei 21°. Ideal für eine Siesta und einige Gedanken über Ravenna.
Mit dem Untergang des römischen Imperiums erfolgte die Aufteilung des Reiches in Ost- und Westrom. Im Jahre 402 machte Kaiser Honorius Ravenna statt Mailand zur Hauptstadt des weströmischen Reiches. Nach ihm residierten in Ravenna seine Schwester Galla Placidia und ab 476 der germanische Söldnerführer Odoaker, der 493 von Theoderich überlistet bzw. anlässlich eines Versöhnungsmahl umgebracht und damit abgelöst wurde. Unter Theoderich dem Grossen herrsche Frieden bis zu seinem Tode 526. Dann war Schluss mit lustig. Erbfolgekriege standen an. Es kämpften die Goten, die Welschen (Westrom) und die Byzantiner (Ostrom/Konstantinopel) um die Herrschaft über Italien. Von dieser Zeit handelt das 1876 erschienene Buch „Ein Kampf um Rom“ von Felix Dahn. Das Buch erinnert an die Karl May – Bücher die in der gleichen Epoche erschienen sind und war seinerzeit ein grosser Erfolg. Das Buch hat mich sozusagen und eigentlich nach Ravenna gebracht. Den Kampf entschieden die Byzantiner für sich und aus Ravenna wurde alsdann Italien von einem Statthalter Konstantinopels regiert. (Exarchat von Ravenna bis 754). Die grössten Sehenswürdigkeiten Ravennas stammen aus der byzantinischen Kultur. So auch die Mosaiken.
Also auf zur Besichtigung. Für mich ist es ein Wunder, dass nun kein Wölkchen mehr am Himmel zu finden ist. Als Wunder von Ravenna wird aber die Basilika San Vitale bezeichnet (erbaut 537-547).
Ein echtes Juwel ist auch das Mausoleum der Galla Placidia. (erbaut 425-435). Sie und um sie war alles Kaiser. Grossvater, Vater, Brüder, Sohn, Lebensgefährte, alles Kaiser. R.M. Bordihn, die Autorin des Roman Der Falke von Palermo, ein Buch über den Stauferkönig Friedrich II, hat über Galla Placidia ebenfalls einen historischen Roman geschrieben. Ich werde es lesen.
Ravenna gefällt uns. Der Ort war für Europa ein wichtiges Scharnier aus der Antike ins Mittelalter. Es hatte grosse Bedeutung ohne eine grosse Metropole zu werden. Es ist eine sympathische, ruhige Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten, vor allem – Du ahnst es – Mosaiken.